Knieschleifer
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Aufbau eines Gravelbikes

Am Anfang stand der Hass. Dieses furchtbare Mountainbike war und ist immer wieder eine Qual.
- die aufrechte Sitzposition
- nur eine Möglichkeit den Lenker zu greifen
- das Gewicht
- und schreckliche Felgenbremsen (auch wenn die XTs mit dem Parallelogram ansich richtig gut sind, das Prinzip Belag trifft auf Bremsflanke ist Mist)

Dazu kommt, das mir der Rahmen wohl doch etwas zu klein ist. Also ist die Ãœberlegung schon seit langer Zeit klar: So ein Gravelbike muss her.
Eigentlich hatte ich genug Zeug rumliegen, und ein fertiges Rad mit Rennlenker existierte ja auch schon. Mein altes Giant Terrago, welches mal ein Hardtail MTB war. Die Überlegung war hier 1x11 fach zu fahren, möglicherweise mal SRAM zu testen. Also Gravel-Lenker bestellt, kürzeren Vorbau bestellt, eine Canti Bremse für vorn bestellt, eine Gravel-Carbongabel mit Cantisockeln erworben.
Und dann den Smolik Laufradsatz in die Werkstatt geschafft um einen 11-fach Freilauf montieren zu lassen.
Resultat: Geht nicht, gibts nicht. Ok... 5€ in die Kaffeekasse für die Mühen und dieses Projekt begraben. Zu viele Kompromisse und jetzt auch noch einen neuen LRS kaufen, und wieder für Felgenbremsen... auch nee, keine Lust mehr.
Zu Hause dann mal das Internet durchforstet und gekuckt und geschaut was man denn so kaufen könnte. Die "Niner" Rahmen gefielen mir in letzter Zeit ziemlich gut. Aber als Set mit 2,5kg auch ganz schön schwer. Klar, Stahlrahmen + Carbongabel, aber dafür 1400€? In Carbon für 2200€ zu haben - da wäre der Rahmen dann wirklich leicht, mit angeblich 1100g, aber die Gabel mit 580g wiederum eigentlich nicht.

Also erstmal in mich gegangen und nochmal überlegt:
- ich will was haltbares
- was belastbares (mich alten Fettsack & Gepäck)
- was für jeden Tag
- was für jedes Wetter
- und was für die Straße und Wald/Feldwege und vielleicht auch Wanderwege
- dazu so wenig wie möglich Kompromisse
- und wenn, sagen wir mal in Indien, was kaputt geht, will ich das möglichst repariert bekommen. Also auch kein Hightech.

Und da ich nun schon lange mit Titan liebäugele, hab ich mal gekuckt obs da was gibt. Und es gab was. Bei Lynskey gibts Rahmensets, nicht nur Rennrad, nein auch Gravel Rahmen. Brauche ich eine Gravel-Race-Geometrie? Nee, irgendwie ist das ja auch absurd, da hätte ich ja nach einem Crosser gekuckt. Also zum Schluss gekommen, der einfachste Rahmen tuts auch. Das ist der GR300. Den gibts nun in 2 Varianten.
- Interne Kabelführung? In Sachen Wartbarkeit eher schlecht - scheidet also aus, und nebenbei 500$ gespart. Dann das Titanfinish:
- "Rohtitan" wäre ohne Aufpreis, hier genannt "Matte Satin"
- "Industrial Mill" - wohl das meistverkaufte kostet schon 130$ mehr und sieht schon gut aus.
- "Brushed" ist schließlich das was ich genommen hab, für 180$ Aufpreis. Mal sehen obs so schick ist wie ich mir das vorstelle.
- "Polished Mirror" Ja, ok, sicherlich sehr, sehr geil wenn man sich die Bilder so anschaut - aber für 1000$ mehr? Echt? Nee. Als nächstes die Frage der Logos. Schnödes Schwarz, kost nix und reicht mir völlig. Billigste Variante wäre hier für 245$ zu haben, die teuren Logos gibts für 400$. Ein echtes Schnäppchen dagegen, das Schild vorne am Steuerrohr. Standard, in Rot, für lau. Das ist meins. Ich gebe zu - "Titanium Navy Blue Anodized" sieht toll aus, macht schon was her, aber 100 weitere "Bugs" wars mir dann doch nicht wert.

Ja, und so ganz weit hinten in der Aufpreisliste gibts dann auch noch ein paar technische Dinge, ein besserer Steuersatz für 110$, such ich mir später selber mal raus, erstmal den Seriensteuersatz runterrocken. Eine bessere Gabel für 400$ mehr? Muss auch nicht sein - die Standardgabel kostet einzeln auch 580$ - kann soooo schlecht also nicht sein.

Die letzte Frage war dann ganz schwer zu beantworten: Soll die Sattelstütze aus Titan dabei sein, oder nicht. Einzeln bestellt läge die bei 225$, beim Rahmen mit dazu für "nur" 180$... zunächst hab ich mich doch dagegen entschieden.

Jetzt ist allerdings fast ein Monat rum, seit Bestellung, es gab schon 2 Lieferterminverschiebungen. Corona, klar. Und inzwischen hab ich dann nochmal mit denen gechattet und die Sattelstütze doch noch dazu bestellt.

Was mich eigentlich dazu gebracht hat, überhaupt zu bestellen, war einerseits der relativ günstige Dollarkurs im Moment, und andererseits nochmal ein 20% Frühjahrsrabatt. So kostet das zwar 2110$, aber am Ende "nur" ca. 1600€ - aber hier schlägt natürlich der EU Zoll und der deutsche Fiskus nochmal zu und so werdens am Ende knapp 2000€ sein.

Bah, soviel Theorie, im Moment bauen sie den Hinterbau dran, dann noch "mein" Finish und dann gehts hoffentlich in den Karton.

Währenddessen zu Hause...

Teile bestellen, und um hier mal Bilder zu zeigen, beginne ich mit den Laufrädern. Es sollten eigentlich komplett DT Swiss werden. 350er Naben bestellt, waren lieferbar, nach ner Woche noch immer nichts da, nicht mehr lieferbar. Alles storniert, neue Speichenlängenberechnung mit Novatec Naben. Bestellt und zwei Tage später den Bausatz in der Hand gehalten.

Es sind jetzt also Novatec D4111CB/D412CB Carbon Naben gworden. Schick und leicht und in der Straight Pull Variante. Das heißt die Speichen gehen gerade vom Nippel zum Loch in der Nabe. Ganz modern also Steckachsenversion, vorn 12x100mm, hinten 12x142mm. Aber für die Naben gibts Adapter für andere Varianten. Das Schlimme an der Steckachse ist - hier gibts so viele Varianten. Man liest beim Bestellen - 12x100mm, 15x100mm, oder 12x142, 12x148, oder mit BOOST... Ok, soweit so klar. Das sind also die Durchmesser und die eigentlichen Nabenbreiten. Was da aber nicht gesagt wird - jeder Rahmen ist ja anders und damit ist auch die Gesamtbreite der Achse immer vom Rahmen abhängig. Meiner braucht eine 166er Achse - das ist aber kein Standard, den gibts an der Stelle nicht. Und dann gibts verschiedene Gewinde, dort wo die Achse in den Rahmen kommt, bei mir ist es eins mit ner 1.0er Steigung. Es gibt aber auch 1.5 und 2.0. Da gehts dann schon wieder los, das man sich fragt was das Ganze soll.

Laufräder komplett
So sehen die Räder nun aus - und man sieht auch schön den Fehler, den ich gemacht hab. Aber nochmal machen scheidet völlig aus.
Vorn 1230g mit und 790g ohne Reifen/Bremsscheibe/Schlauch.
Hinten 1780g mit und 970g ohne Reifen/Schlauch/Bremsscheibe/Kassette

Laufräder komplett
Die Basis bilden DT Swiss R500db Felgen (je 495g). Ein paar rote Akzente müssen sein.

Laufräder komplett
Shimano SM-RT86 Scheiben in 160mm vorn und hinten. In 6 Loch - weil das mit nem Torx 25 er Schlüssel immer noch einfacher zu raparieren ist als mit den Centerlock Spezialschlüssel. Mehr als 160mm ist wiederum an der Gabel nicht zugelassen.

Laufräder komplett
Vorn die Novatec D411CB (79g) und DT Swiss Competition Race Speichen (2.0-1.6-2.0)...

Laufräder komplett
... und hinten die Novatec D412CB (227g), links DT Swiss Competition Race und rechts DT Swiss Competition Speichen in 2.0-1.8-2.0

Laufräder komplett
Die Conti SpeedKing in 32mm laufen super und wiegen nur 280g.

Laufräder komplett
Auf der Antriebseite sitzt eine Ultegra R8000 11-fach Kassette in 11-30er Abstufung.
Insgesamt gesehen würde ich Straight Pull in "Rund" nicht wieder selbst einspeichen, weil man die Speiche einfach nicht festhalten kann. Das macht keinen Spaß!

Lange Reise

Am 3.6. gings los, in Smyrna, Georgia, von da mach Atlanta, immer noch in Georgia. Es kam heute dort an, am 4.6.. Weiter gings nach Cincinnatti und dort wurden Zoll Formalitäten erledigt. Es sollte jetzt also in der Luft sein, und wird wohl in ein paar Stunden in Leipzig landen. Unterwegs mit Flug BOX393 von AeroLogic.

Flug
Und tatsächlich fliegt es gerade an der Küste des Eriesee entlang! Das ist doch mal eine gelungene Paketnachverfolgung!

Endlich da!

Ab Leipzig gings dann wirklich schleppend - DHL wartete bei jeder Unklarheit bis ich mich melde, letzte Hürde war dann, das sie von mir hören bzw. lesen wollten das sie die Sendung verzollen sollen.
Heute klingelte der DHL Kurier, ich durfte noch 414,59€ bezahlen (inkl. 12,50€ DHL Verzollungsgebühr + Mwst.) und dann endlich das Paket aufreißen. Dann lass ich erstmal Bilder sprechen.

Unboxing
So sah es dann in der Kiste aus

Additional Parts
Ich hätte es fast weggeschmissen

Gabel
Die Vollcarbongabel, 490g aber macht einen sehr stabilen Eindruck!

Badge
Das Metallschild ist ein echter Hingucker

Sitzrohr
Ansonsten leider sehr viele doch etwas billig wirkende Aufkleber - die man immerhin leich abmachen kann

Rahmen
Nochmal naksch und im Ganzen

Handcrafted
Das wiederrum finde ich an sich sehr schön, ein weiterer Rahmen in Handarbeit entstanden

Hinterbau
Der Hinterbau ist schön gemacht, viele austauschbare Teile, wie die Bremskörperaufnahme oder drüben das Schaltauge und die Mutter für die Steckachse

Logo
Das eingefräste oder gelaserte(?) Logo ist Klasse, aber was die beiden komischen (Lang)Löcher darunter sollen?
Ah - ich weiß es! Der Rahmen hat keine Zuganschläge, wird mit durchgängigen Außenhüllen gefahren. Und das hier sind nochmal 2 Befestigungsmöglichkeiten für den hinteren Schaltzug per Kabelbinder. Ein bisschen russisch in der Hinsicht, aber der Ami und der Russe sind sich manchmal ähnlicher als man denkt. Andererseits kann so natürlich im Grunde kein Dreck in die Hüllen eindringen.

Halbfertig
Der aktuelle Stand der Dinge. Fehlen noch Züge, hintere Bremse, Lenkerband und Flaschenhalter. So wie es da steht wiegts jetzt 8,9kg. Kein Leichtbau - aber das soll es auch nicht sein. Die Bremse hinten kann ich nicht montieren, wegen der 160er Scheibe brauche ich Adapter für den Bremskörper und die von Shimano mitgelieferten Schrauben passen auch nicht. Aber ich hab schonmal Probegesessen und das macht erstmal einen sehr guten Eindruck.

Endmontage

Irgendwann waren die restlichen Teile da, und alles passte! Der Adapter für den hinteren Bremskörper ließ sich problemlos anschrauben, die zusätzlichen Schrauben um das Ganze nun an den Rahmen zu schrauben hatten die richtige Länge. Die Zughülle für hinten reichte geradeso! Die Hüllen sind ja durchgehend am Gravelrad. Danach hab ich zuerst die Bremsleitungen abgelängt, und angeschlossen. Das geht sehr einfach, sie sind ja vorgefüllt mit Hydrauliköl (Ich glaube Mineralöl bei Shimano, keine aggressive Bremsflüssigkeit). Danach die Bowdenzüge für Umwerfer und Schaltwerk angeschlossen. Lenkerband gewickelt - nur auf einer Seite mit der italienischen Acht, auf der anderen Seite hab ich das nicht hinbekommen. Ja, und dann noch den Flaschenhalter. Ach und ne Kette hats auch - und hier liefert Shimano jetzt wieder ein Kettenschloß, super!
Nach dem fummeligen Einstellen der Schaltung - die Zugführung am Umwerfer... schlimm! - gings dann endlich auf ne kleine Proberunde über unsere Pizzeria zu meiner Lieblingsfotostelle.

Fertig

Probefahrt(en)

Inzwischen sind ca. 333,2 km abgespult. Von Anfang an richtig Klasse: Dieses weiche, sanfte dahinrollen. Die Bremsen - am Anfang wusste ich ja, soll man sie erst einfahren - sind ein Traum, die besten Bremsen die ich je am Fahrrad hatte. Hervorragende Dosierbarkeit und erstklassige Bremswirkung in jeder Situation.
Die Schaltung ist immer noch etwas hakelig, die Kette schleift links und rechts am Umwerfer - hier muss ich nochmal ran. Das schlimmere und erstmal nicht änderbare ist, das ich mit dieser Spreizung vorn, von 17 Zähnen gar nicht klar komme. Schalte ich vom großen aufs kleine Blatt muss ich hinten 5!!! mal gegenschalten um nicht ins leere zu treten. Andersrum gehts etwas besser.
Auf Dauer halte ich das aber nicht aus, hier muss entweder eine CX Kurbel ran, mit 46/36 oder eine kompakte Ultegra mit 50/36 und dann hinten eben doch die 11-34er Kassette.
Mit meinen Reifen, den Conti Speedking, bin ich inzwischen schlimme Feldwege lang gefahren, so schnell wie möglich über Schotterpisten, durch Schlamm, durch tiefe Pfützen, staubige Wege und Wiesen wurden gemeistert. Sie rollen und halten die Luft. Prima!
Der Gravellenker ist ein Genuß, ich fahre am liebsten in Unterlenkerhaltung durchs Gelände, man hat viel Kontrolle, weil er da unten schön breit ist, und man ist trotzdem schnell!

...to be continued!

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